Von Simone Hülfert, die jahrelange Erfahrungen in der Parfümeriebranche hat und jetzt als Consultant arbeitet.
Die Parfümeriebranche steht vor vielen Problemen und Herausforderungen. Insiderin Simone Hülfert zeigt detailliert die Missstände auf und fordert ein gemeinsames, faires Agieren von Industrie, Handel und Mitarbeitern.
Ein viel zitiertes chinesisches Sprichwort hört man seit Beginn der Corona-Pandemie besonders oft: „Wenn ein Sturm aufzieht, bauen die einen Mauern, die anderen Windmühlen.“ Doch wie sieht die Realität aus?

Wir befinden uns gerade im Zentrum des Sturmes. Zurzeit herrscht eine gespenstische Ruhe. Alles läuft scheinbar „normal“. Die Geschäfte haben wieder geöffnet, mit Einschränkungen zwar, aber immerhin. Reisen sind bedingt möglich diesen Sommer. Doch drohende dunkle Wolken stehen am Himmel! Die Impfquoten sind zu gering, die Delta-Variante des Virus breitet sich in manchen Regionen rasant aus. Und in England wurden die Einschränkungen aufgehoben! Verwirrend!
Wir haben im Einzelhandel gerade halbwegs die Schäden zusammengekehrt, aufgeräumt und einen Plan im Kopf, zumindest für die nächsten Monate. Dank Kurzarbeit, Ausgleichszahlungen und Überbrückungshilfen ging das irgendwie. Doch wir kämpfen nun auch intern mit neuen Problemen! Geschäftsinhaber mussten ihre Reserven angreifen. Zahlreiche gute Mitarbeiter wandern in andere Bereiche ab, da ihnen nach über einem Jahr Kurzarbeit finanziell die Puste ausgeht. Beängstigenderweise sind die Umsätze trotz aller Bemühungen weiterhin geringer als erwartet, deshalb ist die Kurzarbeit gerechtfertigt.
Doch wir sprechen von einem normalen Gehalt von maximal 15 Euro pro Stunde – für eine Parfümeriefachverkäuferin mit Berufserfahrung, eine Visagistin oder Kosmetikerin. Das ist schon hoch angesetzt und wohlgemerkt das Bruttogehalt! Nebenbei sei erwähnt, dass eine Partei in ihrem Wahlprogramm einen Mindestlohn von 13 Euro fordert. Das Gehalt für Fachkräfte im Einzelhandel sollte doch entsprechend angepasst werden, oder? Und dass im Einzelhandel dringend Fachkräfte gesucht werden, wissen wir alle!
Der Plan, den Dienstleistungsbereich der Parfümerien weiter auszubauen, den Fokus wieder mehr auf Kosmetikbehandlungen und Make-up-Beratungen zu setzen, ist grundsätzlich gut. Allerdings ist gerade dieser Bereich, der besonders zur Stammkundenbindung und Zusatzverkäufen verhilft, in der Krise weggebrochen. Diese Servicetools werden in Zukunft auch wieder gefragt sein … die Kunden wollen beraten und verwöhnt werden, ein tolles Erlebnis haben, doch genau das wird schwierig ohne qualifizierte Mitarbeiter.
Und zusätzlich der Druck durch den Online-Handel! Klar, der Preiskampf ist eine Katastrophe! Somit kommen die vorinformierten Kunden ins Geschäft, das Handy schon parat und die Frage „Haben Sie diesen Duft?“ auf den Lippen. Das Bild eines Duftflakons mit rotem Preis wird der freundlichen Mitarbeiterin unter die Nase gehalten. Man lässt sich den Duft gern aufsprühen, lässt sich beraten, um dann den Preis zu fordern, der im Onlineshop steht. Nicht selten hört man dann: „Ich wollte ja gern den stationären Handel unterstützen, aber so einen (wohlbemerkt normalen) Preis bezahle ich nicht“. Ja, das kennen wir alle.
Zum Glück gibt es viele, die unseren Service lieben!
Simone Hülfert
Aber wir müssen weiterdenken! Unterstützen wir unsere Mitarbeiter, die täglich „an der Front“ sind. Helfen wir ihnen mit gutem Beschwerde-Management für Kunden, die mit Reklamationen kommen und mit weiteren Tools. Wertschätzen wir weiter unsere Stammkunden. Zum Glück gibt es viele, die unseren Service lieben! Sie freuen sich, wenn sie endlich wieder Düfte erleben, Pflegeberatungen genießen dürfen, einen Espresso angeboten und Geschenke liebevoll verpackt bekommen. Denn darin liegt weiter unsere Chance – im Service und der Dienstleistung!
Wir arbeiten in einer Branche, die so viel mit Wohlfühlen, Sehen, Riechen und Schmecken zu tun hat, dass wir unsere Kunden weiter erfreuen werden! Es ist die schönste Branche der Welt! Die Industrie arbeitet weiter an spannenden Neuheiten, jetzt ganz im Zeitgeist der Nachhaltigkeit. Es wird weiterhin spannende Produkte geben, die alle damit zu tun haben, uns allen das Leben zu versüßen! Lasst uns engagiert weitermachen! Wir werden den Sturm schon überstehen, aber nur, wenn wir weiterhin zusammenhalten und fair miteinander umgehen … damit meine ich Industrie, Geschäftspartner und Mitarbeiter!
Wie beurteilen Sie die Situation? Haben Sie Lösungsvorschläge? Wir veröffentlichen gern auch Ihre Meinung. Bitte per mail an Susanne Stoll, stoll@redspa.de