Orientiert an den Grundsätzen der Steinzeiternährung, setzt die Paläo-Küche (aus dem Englischen kommt die oft zu lesende Bezeichnung paleo) auf Fleisch, Fisch, Früchte und Nüsse und hofft damit modernen Zivilisationskrankheiten entgegen zu wirken. SPA inside zeigt, was man gegen ein paar Kilo zu viel tun kann.

Fred Feuerstein und Barney Geröllheimer haben es vorgemacht. Darf man dem Comicstrip Glauben schenken, bestand ihre Diät vor allem aus saftigen Brontosaurierrippchen oder Säbelzahntiger am Spieß. Ab und zu standen sicher auch ein paar frisch geangelte Ammoniten auf der Speisekarte. Dazu ein bisschen Gemüse, nahrhafte Samen und Nüsse. Nur die Vorliebe der beiden Steinzeithelden für prähistorisches Ale ist eine Freiheit ihrer Erfinder.

Doch Spaß beiseite … Im Grunde deckt sich dieser eher eiweißlastige Speiseplan, angereichert mit hochwertigen pflanzlichen und tierischen Fetten, tatsächlich mit Erkenntnissen der Paläontologie über die Ernährung unserer Vorfahren aus der Ära vor Beginn von Ackerbau und Viehzucht. Diese Jägerund Sammler-Kulturen waren auf das angewiesen, was sie in ihrer unmittelbaren Umgebung vorfanden oder in gemeinsamen Jagdstreifzügen erbeuten konnten. Dabei mussten oft weite Strecken zurückgelegt werden. Manchmal gab es tagelang überhaupt keine Nahrung. Kohlehydratreiche Kost wie Getreide, Reis oder Kartoffeln waren noch weitgehend unbekannt bzw. wurden allenfalls in wilder Form gesammelt, aber noch nicht kultiviert. Ähnliches galt für die Haltung von Nutztieren und damit auch den Konsum von Milch und Milchprodukten sowie jede Form von raffiniertem Zucker oder Alkohol. Einige Ernährungswissenschaftler und Anthropologen haben aus dieser Faktenlage eine Kostform entwickelt, die in den Medien meist etwas salopp als Steinzeit- oder richtiger als Paläo-Diät bezeichnet wird.

„Paläo“ bezieht sich dabei auf die Periode der Altsteinzeit, also eine Zeitspanne von ca. 2000000 bis 20000 Jahre vor unserer Zeitrechnung – an diesem entscheidenden Wendepunkt menschlicher Evolution beginnt die sogenannte Neolithische Revolution. In dieser Zeit begannen die Menschen sesshaft zu werden, Haus- und Nutztiere zu halten und Felder anzulegen. In der Folge stellten sie auch ihre Ernährungsgewohnheiten radikal um. Unsere westliche Ernährungsweise ist ein später Nachhall dieser revolutionären Umwälzung. Noch heute gibt es Naturvölker, die sich weitgehend „steinzeitlich“ ernähren bzw. als Jäger und Sammler leben. Dazu zählen beispielsweise die Inuit in Grönland, die Pygmäen im Herzen Afrikas und bis ins 20. Jahrhundert hinein auch die australischen Aborigines.

Im Kern geht es bei der Paläo-Diät darum, auf den Verzehr besonders kohlehydrathaltiger „Kultur-Lebensmittel“ wie Brot, Nudeln und Reis oder Kartoff eln zu verzichten. Deshalb ist auch raffi nierter Zucker in jeder Form absolut tabu. Honig ist dagegen erlaubt, weil den schon unsere Ahnen aus den Bienenwaben kratzten. Ebenso Kohlehydratbomben wie Datteln und Feigen, weil der Fruchtzucker hier in natürlicher Form vorliegt. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Steinzeit-Diät daher deutlich von sogenannten LowCarb Diäten. Trotzdem gewinnt die Paläo- Diät gerade in deren Windschatten und als Teil des allgemeinen Biobooms aktuell wieder an Popularität. Ihre Wurzeln reichen aber bis in die 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück. Ein neuer Ernährungstrend wurde sie aber erst mit dem in den 1990er Jahren erschienen Buch  The Paleo Diet des US-amerikanischen Arztes Loren Cordain.

Im Mai 2011 hat mit dem Sauvage in Berlin-Neukölln das europaweit erste Restaurant eröff net, dessen Angebot sich ausschließlich an den Grundsätzen der Steinzeiternährung orientiert – und das mit Erfolg. In New York ist die Bewegung dagegen längst im Mainstream angekommen.

Verboten sind dabei, wie gesagt, ebenfalls alle industriell verarbeiteten Nahrungsmittel und Fertiggerichte sowie Milchprodukte. Strenggenommen auch alles, was ohne Verarbeitung nicht genießbar wäre, wie z. B. Oliven. Erlaubt sind dagegen Fleisch von Tieren aus Freilandhaltung bzw. Grünfütterung (d. h. möglichst ohne zugefüttertes Getreide, weil dies das optimale Omega3/ Omega6 Fettsäurenverhältnis im Fleisch ungünstig verschiebt), Wild, Fische und Meeresfrüchte, Gemüse, Eier, Kräuter, Beeren, Pilze, Früchte, Nüsse, Kastani- en und Samen – alles auch in gegarter Form, keine Sorge! Dabei jedoch im- mer im Einklang mit den natürlichen Wachstums- und Reifezyklen bzw. den Jahreszeiten – also z. B. keine Himbee- ren im Winter. Als Getränk sind laut der reinen Lehre ausschließlich Wasser und Kräutertee zugelassen. Die Verwendung von Pflanzenölen ist umstritten. Im Sauvage greift man auf Ghee, Schmalz, Talg und unraffiniertes Palm-, Oliven und Nussöl zurück.

Im Kern basiert die Theorie der Stein- zeiternährung auf der Evolutionslehre Charles Darwins. Danach haben sich im Laufe der Evolution immer diejeni- gen Spezies durchgesetzt, die optimal an ihre Umwelt und damit an die vorhandenen Nahrungsquellen angepasst waren. So haben unsere Vorfahren rund 100 000 Generationen lang die Stein- zeitdiät praktiziert. Kultiviertes Getreide und Milchprodukte stehen dagegen erst seit etwa 500 Generationen auf dem Speisezettel der Menschheit. Der Beginn des Industriezeitalters mit großtechnisch erzeugten Lebensmitteln wie raffiniertem Zucker liegt ganze 10 Generationen zurück. Die Verfechter der Paläo-Diat schließen daraus, dass der Mensch bisher einfach nicht genügend Zeit hatte, sich genetisch an die neuen Ernährungsgewohnheiten anzupassen, die ihrer Meinung nach Ursache der meisten Zivilisationskrankheiten sind, die umso stärker um sich greifen je mehr „moderne“ Nahrungsmittel unseren Speiseplan bereichern. Ein Indiz dieser verzögerten Anpassung ist z. B. die nach 12 000 Jahren Ackerbau und Viehzucht immer noch weit verbreitete Laktoseintoleranz oder Allergien gegen Gluten.