Buchenblätter rauschen sanft im Wind, Sonnenstrahlen blitzen zwischen den Ästen hervor … irgendwo klopft ein Specht emsig an einem Baumstamm. Die kühle klare Luft riecht würzig nach Bärlauch. Sattgrüne Mooskissen federn meine Schritte ab. Neben fast mannshohen Farnen entdecke ich zarte Veilchen. Und wie heißen gleich noch einmal die kleinen gelben Blumen, die daneben leuchten? Ich laufe einen schmalen Wanderpfad entlang, der sich durch den Wald schlängelt, vorbei an knochigen Baumwurzeln und Ameisenhügeln. Entdecke Walderdbeeren, sammle Zapfen, breche mir einen Wanderstock aus einem herumliegenden Ast zurecht und spüre irgendwann plötzlich eine Zufriedenheit, wie schon lange nicht mehr.

Vielleicht liegt es daran, dass es rundum herrlich ruhig ist, vielleicht daran, dass ich seit mindestens einer Stunde nicht mehr auf mein Handy geschaut und E-Mails gelesen habe und mich stattdessen auf das konzentriere, was mich umgibt: Auf die Geräusche, auf den Weg vor mir, auf die Bäume um mich herum. Nachdenken über die Pflanzennamen … Viele habe ich mittlerweile vergessen. Als Kind kannte ich fast alle. Kurz überlege ich, mein Handy rauszuholen, um nachzuschauen, wie das Kräutlein mit den weißen Blüten heißt. Aber nein, es wird auch so gehen und sie werden mir sicherlich noch einfallen. Schließlich bin ich nicht einfach so im Wald unterwegs. Vielmehr wollte ich hautnah erleben, was dran ist, am neuen Trend „Waldbaden“.

Die Japaner baden schon länger

Waldbaden – das ist das bewusste Verweilen im Wald – um sich zu erholen und seine Gesundheit zu stärken. Klingt zunächst etwas nüchtern. Hat aber tatsächlich auch einen wissenschaftlichen Hintergrund und ist längst nicht so neu wie gedacht. Japanische Ärzte nennen es ,,Shinrin Yoku“: Baden im Wald und das ist in Japan und Südkorea bereits fester Bestandteil der Gesundheitsvorsorge. Das japanische Landwirtschaftsministerium führte Shinrin Yoku Anfang der achtziger Jahre ein und förderte ein Millionen schweres Forschungsprogramm, um die medizinische Wirkung des Waldbadens nachzuweisen. Vor zwölf Jahren eröffnete das erste Zentrum für ,,Waldtherapie“, und an japanischen Universitäten gibt es eine fachärztliche Spezialisierung in ,,Waldmedizin“. Jedes Jahr spazieren zirka 100 000 Menschen die angelegten Pfade des Nationalen Erholungswaldes Akasawa nahe der Stadt Agematsu entlang. Das Gebiet gilt als die Wiege des Shinrin Yoku. Südkorea legt Forest Bath Parks in der Nähe von Städten an. Im Norden des Landes entstanden fünf große Natural Recreation Forests.

„Waldbaden entlastet nachgewiesenermaßen die Atemwege, hebt die Stimmung und sorgt für ein allgemeines Wohlbefinden“, so Naturcoach Verena Hiltpolt, die dieses Programm in der idyllischen und reichen Landschaft der Olympiaregion Seefeld in Tirol anbietet und dafür sogar Schauspielerin und Designerin Barbara Becker als Botschafterin gewinnen konnte. „Das achtsame Eintauchen in den Wald schafft gerade für Großstädter eine erholsame Auszeit vom urbanen Leben und macht mit einfachen Mitteln die heilsame Kraft der Natur verfügbar. Der Geist schaltet ab, kommt zur Ruhe und findet zu sich selbst. Körperlich werden durch die Atemübungen die gesundheitsfördernden, sekundären Pflanzenstoffe möglichst
tief im Körper aufgenommen.“ Wald sei dabei nicht gleich Wald, erklärt Verena Hiltpolt. „Ein Mischwald beruhigt den Geist eher als ein Nadelwald“, betont die Waldbaden-Expertin. Hier seien Blätterdichte und -struktur entscheidend, vor allem im Sommer: Das Laub im Mischwald spendet Schatten und erzeugt ein angenehmeres Klima.

Einen Mehrwert bietet auch die Waldluft in Meeresnähe – aufgrund ihres Salzgehaltes. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass auf der Ostseeinsel Usedom vor wenigen Monaten auf einem 180 Hektar großen Gelände der erste zertifizierte Europäische Heilwald eröffnet wurde. Der perfekte Cocktail aus Ostsee- und Waldluft dient in hervorragender Weise der Prävention und Gesundheitsförderung. Raus aus dem Alltag und rein in die Natur Nach all den Hintergrund-Informationen und wissenschaftlichen Erläuterungen über das Waldbaden, hatte ich fast ein wenig Ehrfurcht, als ich am Waldrand stand. Einfach loslaufen? Ohne Coach an meiner Seite? Ein wenig schmunzeln musste ich dann aber schon. Denn auf den ersten Blick hat das „Baden im Wald“ auch den Beigeschmack einer cleveren Marketingidee. Auch wenn … sie hat mich auf jeden Fall dazu gebracht, die Wanderschuhe anzuziehen.

Raus aus dem Alltag und rein in die Natur – das geht sicher auch ohne Fachpersonal. Aber möchte man tatsächlich das gewisse Plus an Erholung für sich und seinen Körper rausholen, ist es durchaus sinnvoll professionelle Anleitung zu haben, wie und wo man Atemübungen, Yoga und Mediationen in den Waldspaziergang integrieren kann.

Bereits nach einer halben Stunde Wandern ist mir nicht nur ordentlich warm, im Kopf kehrt Ruhe ein und die Gedanken kreisen nicht mehr um die vielen unerledigten Dinge. Und siehe da, mir fällt auch wieder der Name des Krautes am Waldrand ein: Giersch. Er passt hervorragend in Salate, Suppen und Kräuterlimonaden – eine perfekte Erfrischung nach dem Waldbaden.