Sie ist gerade acht Jahre alt und ihr Business-Kleid „zwickt unterm Arm“. Doch Anna Birrer, Tochter aus einer Mittelstandsfamilie in Luzern, Einserschülerin in Englisch, Schlittschuhläuferin und Schwimmerin, hat im Hotel „Badrutt’s Palace“ in St. Moritz das Sagen. Das noble Haus steht in den Schweizer Alpen – legendär, aber doch etwas verstaubt.

Anna kümmert sich als Junior-General Managerin ausschließlich um die Belange der Gästekinder. Kein Witz: Ausgerechnet in einem Hotel, das lange Zeit das Zuhause von Playboy Gunther Sachs war. In seiner Turmwohnung im „Badrutt’s Palace“ engagierte er damals junge Künstler. Roy Lichtenstein kümmerte sich ums Badezimmer. Andy Warhol machte sich an die Küche … Und seine Brigitte Bardot war edel und schön, sorgte sich aber weniger um Kinder – wie Rolf Sachs, der Spross von Gunther, aus eigener Erfahrung weiß. Anna Birrer, ganz in Schwarz im Cocktail-Kleid von Gucci mit verwegen hochgestecktem blondem Haar, interessiert die Vergangenheit samt Partys, Sachs und Society nicht im Geringsten. Sie ist fixiert auf ihre Aufgabe und gibt ihre ersten Eindrücke kund: „Der Kindercocktail ist zu bitter. Die Badspiegel sind zu hoch. Der Pool-Bereich muss auch für Kinder nutzbar sein.“ Was fehlt? Kinder-Concierge, Kinder- Hotelpass, Willkommensgeschenke. Und – ganz wichtig – dies: „Die App muss richtig funktionieren.“

Es gibt ja Leute, die sprechen von St. Moritz und dem „Badrutt’s“ wie von einem Altersheim in Nerz und Zobel mit ausgefallenen Hunderassen. Was jedoch nicht ganz korrekt ist, denn der Drei-Generationen-Urlaub, also mit Großeltern, Eltern und Enkeln, ist weit verbreitet, vor allem hier. Deshalb holte sich Hans Wiedemann, von den letzten kinderlosen Badrutts, Hansjürg und Aniko, wie in einem Märchen zum Erben des Hotels benannt, eben Hilfe ins Haus. Um die Welt aus Kinderaugen zu beleuchten. „Das Hotel war ihr Kind“, sagt der 62-jährige Wiedemann über Hansjürg und Aniko. Und die Junior-GM? „Anna ist mega-cool!“ Als Lohn bekommt ihre Familie eine Woche Urlaub im Haus und Anna zudem eine rund 3000 Euro teure Uhr. Ihr Job scheint heiß begehrt: 70 Bewerbungen für den nächsten Junior- GM sind bereits ins Haus geflattert, selbst aus Texas, Hongkong oder Moskau. (Text: Jochen Müssig)