Urbanes Flair, goldene Küsten, relaxte Menschen und ekstatischer Soundtrack aus Tango und Karneval. Uruguay ist das neue It-Reiseziel in Südamerika und bietet das perfekte Gleichgewicht aus Erleben und Entspannen
Eine Stadt mit ein paar Bauernhöfen im Hinterland: So wird Uruguay oft scherzhaft beschrieben. Diese Umschreibung ist aber fast schon anmaßend. Vor allem, wenn es sich um ein Traumziel wie Uruguay handelt, das Naturerlebnisse von einer Ursprünglichkeit bietet, die man sonst kaum mehr irgendwo auf der Welt findet. Dazu punktet das Land mit herrlichen Stränden, geballter Kultur in der Hauptstadt Montevideo und einzigartigen Relax-Oasen zum Regenerieren. Tatsächlich hatte ich zu Beginn meiner Reise zunächst Bedenken, ob nicht das Entspannen auf dieser Reise zu kurz kommen würde. Wie oft hatte ich das schon bei Besuchen in anderen quirligen lateinamerikanischen Länder erlebt. Doch als ich bei meiner Ankunft eine Uruguayerin frage, mit welchen Worten sie ihr Land beschreiben würde, antwortet sie wie aus der Pistole geschossen: Tranquilo, was so viel bedeutet wie ruhig. Das nenne ich die beste Voraussetzung, um eine Rundtour zu starten, die mir vor allem eines bieten soll: Erholung vom Alltag, dazu neue Eindrücke – aber bitte ganz ohne Stress.
Unbekanntes Uruguay, sicheres Urlaubsziel
Eines lerne ich schnell: Uruguay ist nicht wie andere lateinamerikanische Länder. Die Vorteile des als „Schweiz Südamerikas” bezeichneten Landes reihen sich nur so aneinander: Alles in Uruguay ist einfach zu erreichen, der Verkehr ist gering, das Straßennetz gut ausgebaut. Dazu kommt, dass Uruguay gerne als das sicherste, stabilste und demokratischste Land des Kontinents bezeichnet wird. Die medizinische Versorgung ist gut. Und last but not least findet man dort entspanntes Großstadtflair ebenso wie kilometerlange Meeres- und Flussküsten sowie weites Binnenland mit Hügeln und Hochebenen. Vor allem letztere bewogen einst die ersten Siedler aus Spanien, Italien und Kroatien zum Bleiben. Dass die Besiedlung durch Europäer nicht friedlich vonstatten ging, wissen wir heute nur zu gut: Die zuvor in Uruguay nomadisch lebende indigene Bevölkerung wurde im 18. Jahrhundert ausgerottet. Wie in vielen anderen Ländern herrschten auch hier über lange Zeiten etliche Kriege. Das mit 180 000 Quadratmetern kleine Land musste sich sowohl gegen die großen Nachbarländer verteidigen, als auch viele Bürgerkriege durchstehen. Seit dem 19. Jahrhundert ist Uruguay bestrebt, ein demokratischer Sozialstaat zu werden, was – mit Guerrilla-Unterbrechungen – seit 1985 gelingt. Wenn man das aktuelle Zeitgeschehen betrachtet, macht Uruguay vor allem mit einem Thema Schlagzeilen: seiner rasanten Energieentwicklung. Das Land ist ein Musterbeispiel dafür, wie man Energieengpässe bewältigen kann, ohne auf fossile Brennstoffe und Importe zurückzugreifen. Innerhalb weniger Jahre hat es Uruguay geschafft, nahezu seinen kompletten Bedarf aus erneuerbaren Energien wie beispielsweise Wind- und Wasserkraft zu decken. Das hat ihm den Ruf als Klima-Champion eingebracht.
In Uruguay gibt es mehr Rinder als Menschen
Ob dabei allerdings die großen Bestände an Rindern mit ihrem CO2-Austoß eingerechnet sind, ist fraglich. Bereits nach der Ankunft der europäischen Siedler entwickelten ich die von den Spaniern ausgesetzten Pferde und Rinder auf den weiten Grasfluren des Landes so prächtig, dass sie dem Land großen Reichtum bescherten. Heute gibt es in Uruguay mehr Rinder als Menschen. Daher sind die Einwohner auch sehr stolz auf ihr Fleisch, das in gegrillter Form als Nationalspeise gilt. Ihr Lieblingsessen ist Chivito, eine Art Sandwich, das aus Rind- oder Kalbfleisch, einem Spiegelei, Saucen und haufenweise geschmolzenem Käse besteht. Ich probiere es aus und ein etwa 100-jähriger Uruguayer serviert mir in einer für Uruguay typischen Sportbar namens Arocena eines der Sandwiches. Testurteil: Einfach nur lecker! Dazu genieße ich ein Gläschen Tannat-Wein, der aufgrund seiner Eigenschaft als Radikalfänger als gesündester aller Rotweine gilt. Er stammt sogar ursprünglich aus Uruguay und wird direkt in der Umgebung Montevideos angebaut. Bis zu 20 Monate Gärung im Holzfass zaubern einen kräftig roten Wein, wie den „Pisano Rio de Los Pajaros Tannat Reserve“, der durch Aromen von Pflaumen, Waldbeeren, Lakritz, Rauch, Bitterschokolade, Rosen und Veilchen betört. Für Gourmets ist Uruguay neuerdings auch interessant: Eigens im Land gezüchteter Kaviar wird in hoher Qualität im schwarzem Fluss, 275 Kilometer von Montevideo entfernt, geerntet und gilt mittlerweile sogar international als Delikatesse. Was man genauso wenig mit Uruguay verbinden würde wie Kaviar, wäre dann noch Tango und Karneval. Tatsächlich fühlen sich die Uruguayer aber ebenfalls für die Entstehung des Tangos verantwortlich, wie das nahe Buenos Aires. Das gilt auch für den Karneval, den man zunächst eher Brasilien zuordnen würde. Das Geniale: In der Hauptstadt Montevideo kann man in den Genuss von beidem kommen. Anna Bader