Klingt einfach und ist es auch – mithilfe ayurvedischer Prinzipien können wir ein gesundes und vor allem auch glückliches Leben führen. Wichtigste Grundregel: Sich selbst und seine Bedürfnisse erkennen.

Ein ausgewogenes Essen, ausreichend Schlaf, moderater Sport, geistig gefordert, fit und seelisch stabil – also rundum in Balance und mit sich im Reinen. Das ist ein Idealzustand, den wir eigentlich alle anstreben. Aber das ist ja kaum machbar, denken Sie? Nun, Ayurveda, die traditionelle indische Heilkunst, zielt genau auf das  Erreichen dieses Zustands ab. Wellnessbegeisterten Menschen fallen beim Stichwort Ayurveda sofort die wohltuenden Massagen mit viel Öl, Stirnguss und vielleicht auch noch Synchronmassage ein. Immerhin! Denn vor ein paar Jahren war diese Heilkunst bei uns noch weitestgehend unbekannt. Inzwischen findet man auf vielen Spa-Menüs auch eine Rubrik mit ayurvedischen Anwendungen. Meist sind es  assagen mit wohlriechenden Ölen, die die Muskeln lockern und rundum entspannen. Der Hauch Exotik, der sie umgibt, macht sie zusätzlich zu einem ganz besonderen Wohlfühlerlebnis. Doch mit der tatsächlichen Lehre Ayurveda hat das wenig zu tun.

Das ist eine lange Geschichte

Ayurveda ist eine uralte traditionelle indische Heillehre, bei der es um weit mehr geht als um ein paar entspannende Augenblicke während eines Wellnessurlaubs. Sie wird seit Jahrtausenden in Indien praktiziert. Ayurveda-Ärzte durchlaufen ein mehrjähriges Studium, das auf diesen alten überlieferten Heilkünsten basiert. Diane Hergarden, Geschäftsführerin des Hotels Vier Jahreszeiten am Schluchsee im Schwarzwald, ist aus- gebildet in der ayurvedischen Gesundheitsvorsorge: „Ayurveda ist eine Lebensphilosophie und Heilkunde auf Grundlage der fünf Naturelemente Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther. Sie steht für Ganzheitlichkeit von Körper, Geist und Seele. Nur wenn diese drei Energien in Einklang sind, ist der Mensch im ganzheitlichen Sinne gesund und im Gleichgewicht.“ Und genau dieser ganzheitliche Ansatz hat Diane Hergarden so fasziniert, dass sie und ihr Ärzte- und Therapeuten-Team aus Sri Lanka Ayurveda-Kuren im Schwarzwald anbieten. Dass diese Kuren Wirkung zeigen, steht außer Frage. Ayurveda ist von der Weltgesundheitsorganisation WHO als traditionelle Heilkunde und in 17 Ländern, darunter Indien, als komplementärmedizinisches Gesundheitssystem anerkannt. Dabei sollte man wissen: Mal eben schnell ein Pulver gegen irgendein Problem bekommen, das wird es nicht geben. Ayurveda wirkt langsam, aber sicher. Dabei geht man davon aus, dass Disharmonien, Krankheiten, Leiden überall dort entstehen, wo das Gleichgewicht der Kräfte gestört ist: im Körper, im Kopf, im engeren Umfeld, in zwischenmenschlichen Beziehungen oder im Verhältnis zwischen Mensch und Natur. Im Ayurveda versucht man mit individuellen Ansätzen ein Gleichgewicht von Körper, Geist und Seele zu erlangen und das möglichst ein Leben lang. Das wird einem zumindest auch im Ansatz klar, wenn man Ayurveda übersetzt. Das Wort aus dem Sanskrit, der alten Hochsprache Indiens, setzt sich aus den Wörtern Leben (Ayur) und Wissen (Veda) zusammen. Es bedeutet die „Wissenschaft vom langen Leben“.

Aller guten Dinge sind drei

Untrennbar mit Ayurveda sind die sogenannten Doshas verbunden. Damit sind die drei Konstitutionstypen Vata, Pitta und Kapha gemeint, welche man vielleicht mit Bioenergien gleichsetzen kann. Es gilt, diese Doshas in Einklang zu bringen und zu halten. Die Bestimmung der Doshas erfolgt bestenfalls durch einen Ayurveda-Arzt. Der wendet dabei nicht nur die Pulsdiagnose an (eine der ältesten diagnostischen Methoden: in der ayurvedischen Medizin enthält der mit drei Fingern gemessene Puls die gesamte Information der verschiedenen Organe im Körper), sondern achtet auch auf die Beschaffenheit von Haut, Haar sowie Körperbau, fragt nach der Ernährung, nach dem sozialen und emotionalen Umfeld, schaut in die Augen und auf die Zunge.

Keine 0815-Behandlungen

Erst wenn die Doshas korrekt bestimmt sind (in der Regel überwiegen zwei dieser Typen), kann festgestellt werden, ob eventuell ein Missverhältnis vorliegt, dem man mit entsprechenden ausgleichenden Maßnahmen entgegenwirkt. Wichtige Komponenten bei der Wiederherstellung und dem Halten des  Dosha-Gleichgewichts sind unter anderem die zum Konstitutionstyp passende Ernährung, Yoga, Meditation und spezielle (Reinigungs-)Behandlungen. Letztere bestehen aus Ölmassagen, aber auch aus Schwitzkuren, Güssen, Bädern und Packungen. Die Königsdisziplin dieser Behandlungen ist die Panchakarma-Kur. Sie darf nur in Begleitung eines Arztes absolviert werden und läuft nach einer bestimmten Reihenfolge ab. Wer eine Panchakarma-Kur bucht sollte dafür mindestens 14 Tage, optimalerweise 21 bis 30 Tage einplanen. Diese intensive Reinigung ist ausgesprochen anstrengend und fordert viel, sowohl körperlich als auch mental.

Ob nah oder fern

Ayurveda hat eine stetig wachsende Fan-Gemeinde, was sicherlich zum großen Teil an dem ganzheitlichen Ansatz der Lehre liegt. Und: Die Stärkung des Immunsystems, die beim Ayurveda eine entscheidende Rolle spielt, hat seit der Covid-Pandemie für viele eine absolute Priorität erlangt. Anderserseits nimmt das Interesse an der eigenen spirituellen Entwicklung bzw. Erfahrung zu und da kann auch Ayurveda durchaus unterstützend sein, beispielsweise bei Fragen nach dem Sinn des Lebens. Zudem lassen sich die ayurvedischen Prinzipien relativ leicht in den Alltag integrieren, was bei Berufstätigen nicht zu unterschätzen ist. Wer eine Ayurveda-Kur plant, steht oft vor der Frage, wo man sich den Behandlungen unterziehen soll. Fliegt man tatsächlich dafür nach Indien oder Sri Lanka, oder entscheidet man sich für eines der Zentren in Europa, die genauso authentische Behandlungen anbieten? Eine allgemeingültige Antwortdarauf gibt es nicht. Ganz klar sprechen sicher die kurzen Anfahrtswege, das heimische Klima und die Sprache für einen Ayurveda-Aufenthalt in hiesigen Gefilden. Doch kann auch die Reise ins Ursprungsland eine einzigartige Erfahrung sein. Entscheidend ist: Egal, ob nun in Europa oder in Indien bzw. Sri Lanka, Ayurveda ist nur dann sinnvoll, wenn man es ernsthaft betreibt und die Regeln langfristig in seinen Alltag integriert – für ein gesundes und harmonisches langes Leben.

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