Michael Edwards ist als international tätiger Buchautor, Berater und Duftexperte eine feste Größe in der Branche. In seinem Standardwerk „Fragrances of the World“ listet er Parfums nach Duftfamilien auf und schafft so eine bestmögliche Marktübersicht. Ganz neu hat er in Florenz „Perfume Legends II“ präsentiert. Bei der Pitti Fragranze stellte er die Neuauflage seines Klassikers vor.

Ein ruhiger, sehr höflicher Mann, der blitzschnell, zielgerichtet, und äußerst wortgewandt argumentiert, so lässt sich Michael Edwards beschreiben. Sein kaleidoskopisches, anekdotenreiches Wissen rund um Parfums bringt er in Wort und Schrift auf den Punkt. So auch in seinem neuesten Werk. „Das ist kein Buch. Es ist eher ein Museum“, lässt der Meister wissen. Wie in einem Museum, präsentiert er den Lesern vielzählige Zeugnisse, Sichtweisen und Wahrnehmungen über die 52 Düfte, die er als Parfumlegenden näher beschreibt. Michael Edwards bleibt im Buch dezent im Hintergrund: „Es hat niemals zuvor ein Buch gegeben, in dem die Kreativen so offen über ihre Kreationen gesprochen haben. Ich fungiere als Kurator ihrer Kreativität. 80 Prozent des Textes sind deren Worte, deren Leben, deren Arbeiten“, so macht er auf den Inhalt neugierig. „In meinem Buch leben sie in gewissem Sinne weiter.“ Warum eine Neuauflage notwendig war? Der Markt sei umtriebig: „Parfum hat sich wirklich sehr geändert. Die meisten Düfte kann man in ihrer Ursprungsform nicht mehr riechen. Denn Gesetzgebung, aber auch Marketing brachten zahlreiche Veränderungen mit sich.“

Intensive Recherche

Was ist denn neu am Buchinhalt? Voraus ging die Überlegung, ab wann ein Duft den Status einer Parfumlegende erhält. „Hier haben wir uns auf eine Definition mit drei Kriterien geeinigt. Erstens ist ein innovativer, unvergleichlicher Duftakkord Voraussetzung. Zweitens muss es sich um einen Duft handeln, der einen Trend vorgibt. Drittens muss er über ein nachhaltiges, bleibendes Dufterscheinungsbild verfügen.“ Für die Neuauflage hat er intensiv recherchiert, Originalquellen gesichtet, beeindruckende Einsichten gewonnen. Beispiele gewünscht? Das Kreationsdatum von Chanel No. 5 sei 1920, und nicht wie gedacht 1922. Die stille Vermarktung begann 1921, erst im Folgejahr bahnte sich die Duftikone ihren Weg. Eindrucksvoller als der Sachverhalt an sich, sind die Wege, die Gabrielle Chanel bei der Vermarktung einschlug: Sie ließ verschiedene Düfte kreieren, gab Samples bei Käufen hinzu. Nach „No. 5“ fragten die meisten. Erst danach ging der Duft in Produktion.

Michael Edwards liefert mit den Parfumlegenden herausragende Beispiele, wie Vermarktung und Kundengewinnung gelingen: Neue Stile wagen, wie die Erfindung von Gourmand in Thierry Muglers Angel (1992) oder die Meister hinter den Düften namentlich auf dem Flakon in den Vordergrund stellen, wie bei Portrait of a Lady (2010), Frédéric Malle. Beispielhaft zeigt er, wie Mut und innovative Vorhaben Früchte tragen. Entscheider können daraus Ideen und Nutzen ziehen. „Ein Parfum ist ein Produkt seiner Zeit“, weiß der Experte. „Früher kauften Männer Düfte für ihre Frauen und sie trugen sie. Dies änderte sich in den 1970ern, als Frauen berufstätig wurden und Geld verdienten.“ Die finanzielle Unabhängigkeit änderte das Kaufverhalten und die Ansprache der Kundinnen.

Kreative Nische

Wie sieht er die Zukunft der Branche? „Wir leben in schwierigen Zeiten: Die Top-Marken der Vergangenheit kämpfen um ihre Authentizität und ihren Charakter, der sie in den 1980er und 1990ern groß machte“, gibt Edwards zu bedenken. „Doch wir leben auch in den allerbesten Zeiten – mit Innovationen, die kreativ herausragen.“ Die Quelle liegt für ihn in der Nische: „Für mich ist die Nische lebendig. Sie hat die Branche revitalisiert.“

Das nächste Projekt des Duftexperten steht schon fest. Er wendet sich den amerikanischen Parfumklassikern zu, die ihn seit langem faszinieren. Und stellt klar: „Dies ist und war mein letztes Update der Französischen Legenden.“

Dr. Bodo Kubartz

Bahnbrechende Klassiker

Die international beachtete Ersterscheinung „Perfume Legends“ (1996) ist seit zehn Jahren vergriffen und vielfach nachgefragt. „Perfume Legends II“ ist eine Weiterentwicklung. Michael Edwards präsentiert Parfumlegenden, und damit die besten Düfte, die je auf den Markt kamen. Er schreibt über die Marke, den Duft, die Nase, den Flakon – ein beachtliches Werk, das mit vielen Geschichten und Anekdoten die beschriebenen Düfte besser verstehen lässt und profunde Einblicke in die Parfumindustrie gibt.
Edwards hat das Buch inhaltlich völlig überarbeitet. 52 Parfums von 1882 „Fougère Royale“ (Houbigant Paris) bis 2010 „Portrait of a Lady“ (Editions de Parfums Frédéric Malle) werden präsentiert. Das Buch liefert das „Who is who“ der Parfumgeschichte. Informationen hinter den Kulissen, Wissen bisher kaum bekannter Details sowie Geschichten der Macherinnen und Macher werden auf ansprechende Weise mit reichhaltigem Bildmaterial veranschaulicht. Seit der Ersterscheinung sind lediglich sieben Düfte neu aufgenommen: Ein Beleg dafür, dass sich Edwards den bahnbrechenden Klassikern widmet. Das Vorwort von Edmond Roudnitska, dem verstorbenen Meisterparfümeur, wurde erneut abgedruckt. Meisterliche Düfte und Worte vergehen eben nicht. Schon damals ehrte der Parfümeur den Autor: Er stelle alle wichtigen Personen und Stories so dar, dass diese „mit der Ehre, die ihnen gebührt“ behandelt würden. Das Werk richtet sich an Händler, Entscheider aus der Industrie sowie Parfumliebhaber – mit äußerst interessanten Stories und Details. Ein schönes Geschenk, das zum Schmökern und Schwelgen einlädt. 359 Seiten, 140 Euro.
www.fragrancesoftheworld.com