groenemeyerInterview Der Arzt und Autor Prof. Dr. Dietrich Grönemeyer zählt zu Deutschlands renommiertesten Vertretern seiner Zunft. Als Fachmann bei Rückenbeschwerden weiß er, was bei akuten Schmerzen zu tun ist.

SPA inside: Wodurch entstehen Rückenschmerzen?
Prof. Dr. Dietrich Grönemeyer: Bei den meisten liegt es am Lebensstil: Sie bewegen sich zu wenig, sitzen zu viel und dann auch falsch. Dadurch verspannen sich die Muskeln, die die Wirbelsäule stützen und einen Großteil des Gewichts abfedern, das auf der Wirbelsäule lastet. Etwa 80 Prozent aller Rückenschmerzen sind auf verspannte Muskulatur zurückzuführen. Kommt noch Übergewicht dazu, ist der Rücken besonders gefährdet. Nicht übersehen darf man aber auch den Zusammenhang mit der Psyche: Der Rücken muss alles „tragen“, also auch Stress und seelische Belastungen.

Rückenschmerzen gelten als Volkskrankheit. Wen trifft es am häufigsten und warum?
Wir sitzen zu viel, bewegen uns zu wenig und ernähren uns oft einseitig. Der Alltag ist zu „unbeweglich“ geworden, was früher oder später gewaltige Rückenprobleme auslöst. Selbst Kinder klagen inzwischen über Rückenschmerzen, denn sie übernehmen oft die immobile Lebensweise ihrer Eltern. Die Folgen: Verschleißerscheinungen werden zunehmend bei immer jüngeren Menschen diagnostiziert. Die ersten Bandscheibenvorfälle treten bereits bei Schulkindern auf. Unsere Kinder müssen in Bewegung bleiben. Zudem sollten sie Zusammenhänge von Gesundheit und Lebensführung verstehen. Deshalb auch meine Forderung nach Gesundheitsunterricht an den Schulen und einer Stunde Schulsport täglich. Wir sollten darauf achten, dass wir unseren Kindern schon früh ein Gespür für ihren Körper vermitteln. Der aufgeklärte Patient ist das beste „Frühwarnsystem“, das wir uns wünschen können.

Was verschafft schnell Linderung bei akuten Schmerzen?
Der überwiegende Anteil der akuten Rückenschmerzen beruht auf muskulären Verspannungen. Wichtig ist zunächst die Aufklärung über die meist harmlosen Ursachen. In diesem Fall sollte der Patient trotz Beeinträchtigung zur körperlichen Aktivierung motiviert werden. Je nach Schweregrad reichen die Maßnahmen von regelmäßigem Schwimmen über Massagen, Akupunktur, Osteopathie bis zur Psychotherapie – und eben die sanften Behandlungsformen wie Mikrotherapie. Die Operation steht ganz am Ende. Ein Arzt, der über ein gutes Netzwerk unterschiedlicher Therapeuten verfügt, kann dem Patienten am besten helfen.

Wann sollte ich einen Arzt aufsuchen?
Keine Angst bei Rückenschmerzen! In den allermeisten Fällen handelt es sich um muskuläre Verspannungen. Leichte Schmerzmittel können zu Beginn einer Schmerzphase sinnvoll sein, weil sie helfen, weiter beweglich zu bleiben. Länger als einige Tage sollte man die Mittel aber nicht einnehmen. Denn wer länger Schmerzen hat, nimmt eine Schonhaltung ein, was wiederum zu einer Zunahme der Verspannung führt. Die Medikamenteneinnahme sollten Sie mit Ihrem Arzt besprechen. Zum Arzt gehen muss man unbedingt, wenn die Schmerzen ins Bein oder den Arm ausstrahlen, nach einer Woche nicht besser werden oder sich sogar verschlechtern bzw. ein Kraftverlust auftritt.

Welche langfristigen Maßnahmen empfehlen Sie Ihren Patienten?
In den vergangenen Jahren haben Operationen bei Rückenschmerzen zugenommen. Das ist unverständlich, da 80 Prozent der Rückenschmerzen auf Verspannungen beruhen. In der Regel können Wärmeanwendungen, vorsichtige Bewegung, Physiotherapie, Osteopathie, Akupunktur diese Verspannungen lösen. Gerade deshalb ist lebenslange regelmäßige sportliche Betätigung und Bewegung die beste Prävention. Mein Motto: lautet deshalb: „Turne bis zur Urne“. Beim Rückentraining aber auch das Bauchmuskeltraining nicht vergessen. Es heißt, eine starke Muskulatur sei gute Prävention.

Welchen Sport können Sie für den Rücken empfehlen?
Walking ist z.B. eine ideale Form des Ausdauertrainings, das sowohl Bein- als auch Rumpfmuskulatur stärkt. Dadurch verbessert sich die Haltung, und auch Rückenschmerzen wird vorgebeugt. Empfehlenswert unter dem Aspekt der gelenkschonenden Bewegung sind Schwimmsport und Wassergymnastik, da durch die statischen Auftriebskräfte des Wassers das Eigengewicht des Körpers weniger zum Tragen kommt. Unter psychosozialen Gesichtspunkten empfehle ich das Tanzen, denn neben dem Training verschiedenster Muskelgruppen und von Herz und Kreislauf wird durch den Paarsport auch die zwischenmenschliche Interaktion älterer Menschen gefördert. Als generelle Regel gilt: Sportarten, die ruckartige und unvorhersehbare Bewegungen mit sich bringen, sollte man meiden.

BUCHTIPP Rückenspezialist Prof. Dr. Dietrich Grönemeyer weiß: Viele Rückenschmerzen kann man durch gezielte Bewegung lindern. Mit seinem neuen Trainingskonzept kann sich jeder sein individuelles Übungsprogramm zusammenstellen.
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