Sogenannte Dupes orientieren sich stark an etablierten Marken und profitieren von deren Image, ohne vergleichbare Investitionen in Entwicklung und Markenaufbau. Flaconi hat die unternehmerische Entscheidung getroffen, künftig keine Dupes mehr zu verkaufen.
Die wachsende Präsenz sogenannter Dupes, Look-Alikes oder Near-Copies sorgt für intensive Diskussionen in der Beautybranche. Immer häufiger wird beobachtet, dass bei der Vermarktung dieser Produkte Marken- und Wettbewerbsrechte potenziell berührt werden. Diese Produkte orientieren sich stark an etablierten Marken und profitieren von deren Image – ohne vergleichbare Investitionen in Entwicklung und Markenaufbau. Der VKE-Kosmetikverband warnt in seinem Positionspapier davor, dass die bewusste oder unbewusste Verwischung der Grenze zwischen Original und Imitat langfristig negative Auswirkungen auf den Markt haben kann. Er appelliert an alle Marktteilnehmer, Verantwortung zu übernehmen und gemeinsam für ein Umfeld einzutreten, das Originalität belohnt, Kreativität schützt und fairen Wettbewerb ermöglicht.
Flaconi hat die unternehmerische Entscheidung getroffen, künftig keine Dupes mehr zu verkaufen und diese aus dem Sortiment zu entfernen. INSIDE beauty sprach mit Markus Grefer, Präsident des VKE-Kosmetikverbands und Vice President von Puig DACH, sowie mit Bastian Siebers, CEO von flaconi.

„Die Herausforderung besteht darin, dass Produkte, die sich stark an Originale anlehnen, unternehmerische und kreative Leistungen entwerten können. Zudem werden Verbraucherinnen und Verbraucher mit Produkten konfrontiert, die weder die Qualität noch die Werte verkörpern, für die Luxus und Premiumprodukte stehen.“
„Als Premium-Retailer ist es unser Anspruch, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich Brands bestmöglich präsentieren können. Dabei legen wir großen Wert auf eine partnerschaftliche Zusammenarbeit: Unser Erfolg ist untrennbar mit dem Erfolg unserer Partnerinnen und Partner verbunden, deshalb engagieren wir uns auch für den Schutz der Originalprodukte.“

Herr Grefer, wie hoch schätzt der VKE-Kosmetikverband den wirtschaftlichen Schaden ein, den nachgeahmte Produkte für die Branche verursachen?
Markus Grefer: Der VKE-Kosmetikverband rechnet in diesem Jahr mit einem Umsatzvolumen der sogenannten Dupes von ca. 200 Mio. Euro in Deutschland. Ein erheblicher Anteil dieses Volumens entfällt auf Drogeriemärkte, die in diesem Segment eine führende Rolle einnehmen.
Doch es geht um mehr als nur wirtschaftliche Einbußen – langfristig steht das Image unserer Branche auf dem Spiel. Schaden Dupes dem Image der Branche?
Markus Grefer: Das Image unserer Branche ist ausgesprochen gut und die Menschen lieben die Marken und Produkte der VKE-Mitgliedsunternehmen. Die Herausforderung besteht jedoch darin, dass Produkte, die sich stark an Originale anlehnen, unternehmerische und kreative Leistungen entwerten können. Zudem werden Verbraucherinnen und Verbraucher mit Produkten konfrontiert, die weder die Qualität noch die Werte verkörpern, für die Luxus und Premiumprodukte stehen.
Flaconi nimmt eine Vorreiterrolle im Handel ein und hat sämtliche Dupes ausgelistet. Herr Siebers, ein wegweisender Schritt! Können Sie uns eine Einschätzung geben, wie viele Produkte im Rahmen Ihrer Sortimentsentscheidung entfernt wurden?
Bastian Siebers: Unser flaconi-Sortiment umfasst etwa 1000 nationale und internationale Marken sowie rund 50 000 Produkte. Im Rahmen der Sortimentsentscheidung wurden konkret rund 120 SKUs von sieben Marken entfernt.
Was waren die ausschlaggebenden Gründe für Ihre Entscheidung, sich künftig ausschließlich auf Marken- und Originalprodukte zu konzentrieren?
Bastian Siebers: Als Premium-Retailer ist es unser Anspruch, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich Brands bestmöglich präsentieren können.
Dabei legen wir großen Wert auf eine partnerschaftliche Zusammenarbeit: Unser Erfolg ist untrennbar mit dem Erfolg unserer Partnerinnen und Partner verbunden, deshalb engagieren wir uns auch für den Schutz der Originalprodukte.
Haben Sie Ihre Entscheidung aktiv kommuniziert? Und konnten Sie bereits beobachten, ob andere Händler Ihrem Beispiel folgen?
Bastian Siebers: Die Kommunikation von Produktauslistungen erfolgt grundsätzlich ausschließlich intern und wird nicht an unsere Kundinnen und Kunden weitergegeben. Wir beobachten, dass sich die Branche nach und nach mit dem Thema auseinandersetzt; inwieweit Maßnahmen auch von anderen Händler:innen ergriffen werden, können wir nicht beurteilen.
Wie haben Ihre Kunden auf die Entscheidung reagiert, Dupes aus dem Sortiment zu nehmen?
Bastian Siebers: Unsere Restbestände wurden in den letzten Monaten noch abverkauft, sodass uns bislang kein konkretes Feedback vorliegt. Aufgrund unseres starken Wachstums im Bereich Premium- und Luxusprodukte sehen wir die Auslistung von Dupes aber nicht als Risiko, sondern als wichtige Maßnahme zur Stärkung unseres Markenprofils und zur gezielten Erweiterung unseres Sortiments.
Besteht aus Ihrer Sicht ein Aufklärungsbedarf, damit Konsumenten die Tragweite ihrer Kaufentscheidungen besser verstehen?
Markus Grefer: Der VKE-Kosmetikverband und seine Mitglieder gehen sehr selbstbewusst mit dem Thema Dupes um. Die Marken der Mitgliedsunternehmen bieten all das, was das Leben der Konsumentinnen und Konsumenten ein bisschen schöner macht. Dieses Gefühl, gekoppelt mit der besonderen Wirkung unserer Produkte – sei es bei Düften, Skincare oder Make-up – kann aus unserer Sicht nur durch Originale ausgelöst werden. In diesem Zusammenhang begrüßen wir es sehr, dass viele Medien und auch die Websites großer Retailer darüber informieren, wie Markenprodukte entstehen, welche Menschen dahinter stehen und welche Vorteile Originale bieten.
Welche konkreten Maßnahmen empfehlen Sie Ihren Mitgliedsunternehmen im Umgang mit potenziellen Rechtsverletzungen durch Dupes – insbesondere auf Plattformen wie TikTok?
Markus Grefer: Dies ist eine Entscheidung jedes einzelnen Mitglieds, aber wir stellen fest, dass unsere Mitglieder konsequent gegen Rechtsverstöße vorgehen – unabhängig vom Kanal.
Ist der juristische Erfolg der Nobilis Group ein Einzelfall – oder beobachten Sie eine zunehmende rechtliche Gegenwehr der Industrie?
Markus Grefer: Ganz sicher nicht. Viele Hersteller haben bereits Maßnahmen gegen vermutete Rechtsverletzungen durch Dupes-Anbieter ergriffen – und tun dies zunehmend erfolgreich.
Zum Abschluss: Was wünschen Sie sich von Handel und Industrie im Umgang mit Dupes und zur Stärkung von Originalität und Markenwerten?
Markus Grefer: Dupes und Look-Alikes führen nicht nur zur Entwertung schöpferischer und unternehmerischer Leistung, sondern untergraben die Wertschätzung für Innovation, Authentizität und kreative Unverwechselbarkeit. Der VKE-Kosmetikverband und seine Mitglieder wünschen sich ein gemeinsames Engagement für Originalität, Fairness gegenüber Marktteilnehmern und Transparenz für Verbraucher.
Bastian Siebers: Wir wünschen uns, dass im Umgang mit Dupes das gemeinschaftliche Interesse der gesamten Branche weiterhin im Mittelpunkt steht. Bei flaconi leben wir den Gedanken des WEcommerce – für uns bedeutet das, vertrauensvolle und nachhaltige Beziehungen zu Markenpartnern und Kunden aufzubauen. Dieses Miteinander ist für uns die Grundlage für ein faires, kreatives und zukunftsfähiges Marktumfeld, in dem Markenwerte und Originalität geschützt und gestärkt werden.
Interview: Susanne Stoll