Man nehme etwas sonniges California-Feeling, eine frische Brise vom Atlantik, das leise Summen von E-Bikes, den süßen Duft von Vanille und das Lachen fröhlicher Menschen. Et voilà: Das und noch viel mehr ist Bordeaux.

Sie sind nicht der große Weinliebhaber? Dann winken Sie nicht gleich voreilig ab, wenn Sie den Namen Bordeaux hören. Zugegeben: Mitte der 1990er war die Stadt im Südwesten Frankreichs, am Ufer der Garonne noch ein etwas in die Jahre gekommener, behäbiger Treffpunkt von Weinkennern und denen, die glauben, einer zu sein. Doch das hat sich grundlegend geändert. Nicht zuletzt dank der kompletten Begrünung der Promenade entlang des Flusses, neuer Radwege, neuer alternativer Stadtviertel und der superschnellen Verbindung zwischen Paris und Bordeaux (der TGV braucht gerade einmal zwei Stunden für die 500-Kilometer-Strecke) ist Bordeaux zu einer der beliebtesten Stadt Frankreichs aufgestiegen. Immer mehr Pariser siedeln sich deshalb hier an. Und auch Touristen finden, unter anderem dank des ebenfalls neuen Kreuzfahrtterminals, den Weg in die Gassen zwischen prunkvollen klassizistischen Häusern.


Größte Restaurantdichte Frankreichs

Trotz des neuen Booms sind die Stadt und ihre Bewohner nicht bourgeois und zugeknöpft, sondern offen und super entspannt. Keine abgehobenen Preise beim Essen, keine Touristenfallen … Und das will was heißen. Denn – noch eine Superlative – Bordeaux hat die größte Restaurantdichte Frankreichs. Sie sind neugierig geworden? Dann lassen Sie sich noch etwas mehr überzeugen, auch wenn Sie in Bordeaux um den Wein nicht herumkommen.

Die Stadt blickt auf eine mehr als 2000 Jahre lange wechselvolle Geschichte zurück. Ihren englischen Charakter bekam sie vor allem durch Eleonore von Aquitanien, Tochter von Wilhelm X. Sie galt als eine der einflussreichsten Frauen des Mittelalters. In zweiter Ehe heiratete sie Henri Plantagenêt aus dem Hause Anjou. Dieser erbte den englischen Thron und damit ging, bis ins 15. Jahrhundert hinein, Bordeaux an England. Und das sollte die nächsten 300 Jahre so bleiben. Der Hafen entwickelte sich unter den Engländern prächtig. Noch heute sind sie die wichtigsten Abnehmer für Weine aus dem Bordeaux. Wie es damals in der mächtigen Hafenstadt zuging, wird eindrucksvoll in der Cité du Vin vermittelt (siehe auch Seite 102). Der Hundertjährige Krieg (1337–1453) gab Bordeaux einen weiteren Schub, hinzu kam der Warenaustausch mit den neuen Kolonien.

Nach der Französischen Revolution, Bordeaux gehörte nun wieder zu Frankreich, begann der städtebauliche Triumph. Noch heute zeugen die prachtvollen Bauten und Plätze, die als Vorbild für Paris galten, vom Reichtum dieser Epoche. Während der beiden Weltkriege zog sogar die französische Regierung nach Bordeaux. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde es etwas stiller um die Stadt, nicht zuletzt, weil der Seehafen stillgelegt und durch einen Terminal ersetzt wurde. 1995 wurde Alain Juppé, ehemaliger Premierminister von Frankreich, für lange Jahre Bürgermeister. Er packte vieles an, was Bordeaux heute als weltoffene Metropole ausmacht. So erklärte er die historische Altstadt zur verkehrsberuhigten Zone, animierte Hausbesitzer dank eines Kredits zur Sanierung ihrer Häuser, reaktivierte die Tram, die seit den 1960er Jahren stillgelegt war, und begrünte und erneuerte die Promenade entlang des Flusses Garonne. Der Stadt hat die Verjüngungskur richtig gut getan – überzeugen Sie sich davon mit einem Besuch. Es lohnt unbedingt.

Die Altstadt
Einmal entspannt quer durch die Viertel Saint-Paul und Saint-Pierre schlendern

as Restaurant Le Petit Commerce ist schlicht eingerichtet: blankgescheuerter Holzfußboden, die kleinen Tische eng nebeneinander gestellt. Die wenigen noch freien Plätze füllen sich innerhalb der nächsten halben Stunde – es ist Mittagzeit. Und das Fischrestaurant zählt zu den beliebtesten im Viertel Saint-Pierre. Egal ob Tourist oder Einheimischer, wer keinen Platz findet, zieht weiter, denn die Dichte der Kneipen (unsere Tipps: Weltküche:
www.pacificbordeaux.fr, vegetarisch: www.kitchengarden.fr, Thai-Streetfood: www.pitayaresto.fr) ist hier besonders hoch. Schließlich sind in Saint-Pierre und dem benachbarten Saint-Paul die wichtigsten Sehenswürdigkeiten zu finden, wie die Place de la Bourse und der Miroir d’Eau. Letzterer entstand im Zuge der Uferneugestaltung der Garonne und landete einen absoluten Hit als Fotomotiv. In der 130 mal 42 Meter großen Granitfläche, die mit Wasser geflutet ist, spiegelt sich die Börse wider. Der in regelmäßigen Abständen erzeugte Sprühnebel begeistert vor allem die Kinder, die im Sommer den Miroir als Planschbecken okkupieren. Während ich auf meine „Plat des fruits de mer“ warte, kommt
Junior auf Stippvisite vorbei. Der Dackel ist das Maskottche vom Le Petit Commerce. Mit seinem traurigen Hundeblick erweicht er den einen oder anderen Gast, etwas unter den Tisch
fallen zu lassen. Mein Filet ist dafür leider einfach zu gut.

Le Bacalan
Das alte Hafen-Industriegebiet entwickelt sich zum Szene-Viertel

Manchmal braucht es einen Ruck, um dann etwas Tolles zu erleben. Nach einem langen Sightseeing-Tag hatte ich es mir bereits gemütlich in meinem Hotelzimmer gemacht. Doch dem Tipp, dass sich donnerstagabends die Bordelaiser in den Halles de Bacalan zu Musik und Leckereien treffen, wollte ich dann doch nachgehen. Also raus aus dem Zimmer und etwas lustlos rein in die Tram Nummer B. Kurze Zeit später bin ich, mit einem Glas kühlen Muscadet und einem Dutzend Austern vor mir, wieder mit der Welt und Bordeaux versöhnt. In der neuen Markthalle des aufstrebenden Viertels ist richtig was los. Alle Stände sind geöffnet, es gibt überall etwas zum Probieren. An der Fleischtheke legt ein DJ Platten auf.
Ins Bacalan-Viertel mit seinem Highlight, der Cité du Vin, geht es entweder wie bei mir zügig mit der Straßenbahn. Oder mit mehr Zeit bei einem Bummel entlang des Garonne-Quais stadtauswärts. Der Weg ist kurzweilig, denn es geht vorbei am Skate-Park, der Anlegestelle für Kreuzfahrtschiffe, dem fast einen Kilometer langen Einkaufszentrum „Les Hangars“ und dem interaktiven Wissenschaftsmuseum „Cap Sciences“. Imposant: die Pont Jacques Chaban-Delman. 575 Meter lang und 77 Meter hoch, ist sie die höchste Hebebrücke Frankreichs. Ihre vier im Dunkeln erleuchteten Türme sind sogar von der Bacalan-Markthalle aus zu sehen.

La Bastide
Rüber über den Fluss, um die Stadt mit anderen Augen zu sehen

Um die grüne Seite von Bordeaux zu entdecken, brauche ich einen Perspektivwechsel. Also Laufschuhe an und rüber über den Fluss, ans rechte Ufer der Garonne. Wenn Sie gut zu Fuß sind, dann spazieren Sie über die historische Pont de Pierre. Die älteste Brücke über den mächtigen Strom wurde 1810 von Napoleon in Auftrag gegeben. Die Garonne ist hier etwa 500 Meter breit, Ebbe und Flut machen hier einen Unterschied von sagenhaften fünf Metern (Tidenhub) aus. Etwas schneller geht es mit der Tram A. Diese hält gleich nach der Brücke am Place de Stalingrad. Der Platz ist an sich etwas nichtssagend, wenn da nicht der himmelblaue
Löwe des Künstlers Xavier Veilhan wäre. Je nachdem, wie viel Zeit Sie haben, spazieren Sie über den Botanischen Garten zum alternativen Zentrum Darwin, dem Highlight auf dieser Seite des Flusses. Oder Sie laufen direkt am Quai de Queyries entlang. Schon bald offenbart sich Ihnen die grüne Seite dieses neuen Viertels. Der Parc aux Angéliques ist ein Dorado für Jogger, Fahrradfahrer und Spaziergänger. Irgendwann ist rechter Hand das riesige Gebäude
einer ehemaligen Kaserne zu entdecken. Ziel erreicht: Im Darwin (www.darwin.camp) können Sie sich mit veganem Kuchen und Tee aus garantiert biologischem Anbau stärken.

Les Chartrons
Etwas Pariser Marais und Londoner Notting Hill weht durch die Gassen

Etwas verwundert spaziere ich die Rue Notre Dame entlang. Ist das noch Bordeaux? Die hohen klassizistischen Häuser der Viertel Saint-Pierre und Saint Paul scheinen hier etwas geschrumpft. Es ist kaum Verkehr, dafür breitet sich eine gewisse dörfliche Ruhe aus. Früher war das Chartrons-Viertel das Reich der Weinhändler. Heute ist es die Antiquitäten- und Trödlermeile. Ein wenig erinnert es mit seinem verträumten Vorort-Flair an das Londoner Notting Hill oder das Marais-Viertel in Paris. Vielleicht zieht es auch deshalb so viele Hauptstädter hierher.
Am besten Sie beginnen Ihre kleine Tour etwas weiter außerhalb am Musée du Vin et du Négoce, einem kleinen Weinmuseum. Das lässt sich mit dem grandiosen Cité du Vin in keinster Weise vergleichen, ist aber als typisches Handelshaus optisch ein schöner Einstieg in das Viertel. Denn genau so sah es früher hier überall aus. Entlang der Rue Notre Dame finden sich kleine Modegeschäfte, Cafés und eben Antiquitätenläden. Den Besuch des CAPC, des Musée d’Art Contemporain, sollten Sie sich für den Schluss aufheben. Verzagen Sie nicht, der Eingang ist von der Rue Notre Dame kommend genau auf der anderen Seite. Das imposante Zentrum für moderne Kunst hat wechselnde Ausstellungen. Tipp: Das dauerhaft zu sehende Kunstwerk von Keith Haring entdeckt erst, wer mit dem Fahrstuhl hoch ins Café fährt.

Unsere Hotel-Tipps für Boredeaux:

Titel©DUFFAURE NICOLAS