Willkommen im Reich der Farben: Hier leuchtet die Natur in Blau und Grün – auch wenn mancher Winnetou-Fan ein ganz anderes Bild hat.Auch die alten Römer standen schon hier – nur konnten die noch keine Postkarten verschicken. Dieses Blau ist tatsächlich echt, dieses tiefe Blau, das zum Ufer hin in Türkis- und Smaragdtöne übergeht. Allen Klischees zum Trotz: Die kroatische Adria ist hier Postkartenidylle pur. Vom Platz vor dem Kirchturm aus betrachte ich die roten Dächer von Rovinj, Fischerboote schaukeln im Hafen. Hinunter geht es durch die Künstlergasse Grisia. Alle paar Meter führt eine Stufe weiter den Berg hinab. Oft bleibe ich stehen, stöbere in den Lädchen mit fantasievollen Schmuckanhängern und duftenden Kräutern in selbstgenähten Säckchen. Der einstigen Seefahrerstadt haftet etwas Magisches an. Eigentlich entstand sie vor 2000 Jahren auf einer Insel. Später schüttete man die Verbindung zum Festland auf, doch immer noch scheinen die Häuser direkt aus dem Wasser zu ragen. Es gibt mindestens 1000 Gründe, dieses Land zu lieben – und mindestens ebenso viele Inseln als grüne und weiße Kleckse im blauen Meer. Die Legende besagt, dass Gott am siebten Tag eine Handvoll Kiesel nahm und sie vor Kroatien in die Adria warf. 6000 Kilometer Küste gibt es und 1185 Inseln, von denen nur 60 bewohnt sind.

Von Römern und Österreichern
Das Meer hat schon immer Fremde, Erholungssuchende und Abenteurer hergelockt. Erst die Römer, deren herrliche Bauten bis heute dem Zahn der Zeit getrotzt haben – wie die Arena in Pula und der Kaiserpalast in Split. Und die Römer waren auch die ersten, die Kroatien als Wellnessoase entdeckten: Noch heute gibt es in der pannonischen Tiefebene eine Art Ur-Therme, das Aquae Iasae, wo die Überreste der antiken Swimmingpools mit den Wässern aus der Tiefe dampfen. Viel später kamen die Österreicher und suchten Erholung und den Zugang zum Meer. Und sie hinterließen in der Kvarner Bucht herrliche Gründerzeitvillen, in denen sich noch heute viele Hotels und Wellness-Tempel finden. In der Kvarner Bucht ist auch eine der für mich schönsten Strandpromenaden der Welt – der zwölf Kilometer lange Lungomare. Am besten Badesachen mitnehmen, denn unterwegs gibt es viele Strände. Überhaupt, die Strände: Am bekanntesten ist wohl das „Goldene Horn“ auf der Insel Brač. Aber die Bekanntheit hat ihre Tücken: Während der Hauptsaison ist es so voll, dass der Erholungsfaktor für mich gegen Null tendiert. Dann lieber zu den versteckten Badebuchten der Pakleni Otoci, übersetzt „Hölleninseln“. Allein die 30-minütige Fahrt mit dem Wassertaxi von der Insel Hvar aus ist ein Erlebnis. Das Wassertaxi steuert mehrere versteckte Buchten und Strände an. Auf der letzten Station Sveti Klement gibt es sogar feinsten Sandstrand. Der ist in Kroatien ansonsten Mangelware. Und weil meine Fußsohlen bereits Bekanntschaft mit spitzen Steinen und Seeigeln gemacht haben, trage ich freiwillig und gern Badeschuhe. Aber die Fels- und Kiesstrände haben auch ihr Gutes: Dieses unvergleichlich klare, blaue Wasser der kroatischen Adria würde durch den aufwirbelnden Sand in trübes Grünblau verwandelt. Doch genug vom blauen Kroatien, denn da ist auch noch das Hinterland, das grüne Kroatien. Auch wenn Winnetou- Anhänger zu wissen meinen, dass es da trocken sein muss, weil so viele der Filme mit karger Prärie hier entstanden sind. Das grüne Hinterland ist jedoch typisch für Kroatien. Istrien im Norden erinnert an die Toskana: Weinpflanzungen, Eichenwälder und Olivenplantagen wechseln sich ab, steinerne Dörfer schmiegen sich an die Hügelkuppen. Highlight ist die Landschaft rund um die Plitvicer Seen im ältesten und größten Nationalpark Kroatiens: 16 grünblau leuchtende Seen, die durch Wasserfälle miteinander verbunden sind.

Hitchcocks Liebling
Und wer mal wieder Zivilisation schnuppern will, dem empfehle ich meinen Lieblingsplatz in Zadar: Angeblich soll Alfred Hitchcock den Sonnenuntergang dort schon als den schönsten der Welt bezeichnet haben. Für mich machen ihn die beiden modernen Kunstwerke von Nikola Basić zu einem echten Highlight: Die Meeresorgel hat sich sogar schon zum Wahrzeichen der Stadt gemausert. In die löchrigen Steinstufen am Ende der Uferpromenade haben Künstler Orgelpfeifen eingepasst. Wind und Wellen pressen Luft hinein, und so entsteht sanft-rhythmische Meeresmusik. Das zweite Kunstwerk liegt gleich daneben, es ist der „Gruß an die Sonne“. Erst in der Dunkelheit entfaltet es seine ganze Schönheit: 300 kreisförmig angeordnete Solarzellen sammeln tagsüber Strom für die wellenförmigen Lichtmuster, die sich nachts über die glatte Glasfl äche ausbreiten. Aber vorher unbedingt auf die Stufen der Meeresorgel setzen und zuschauen, wie sich die rote Sonne hinter die Inseln und den Meereshorizont im Westen schiebt. Das ist zwar wieder Postkartenkitsch pur. Aber was kann Kroatien denn dafür, dass es so schön ist? (Text: Iris Schaper, Foto oben: Adriana-Hvar Marina Hotel & Spa)