Das Internet wandelt sich. Längst wird es nicht mehr nur als Informationsquelle genutzt, sondern ist zunehmend Kommunikationsbasis und Meinungsbildner – auch bei Beautyprodukten. Wie und wo informieren sich die Internetuser? Britta John hat sich für die Zeitschrift INSIDE beauty (Ausgabe 04/2010) im Netz umgeschaut.

Wir überlegen, die Farbe »Concrete Jungle« einzustellen. Was meint ihr, sollen wir nachproduzieren?“ fragte die US-Nagellackmarke Rescue Beauty Lounge auf ihrer Facebook-Seite ihre Leserinnen. Näher kann man seinen Kunden nicht sein!

Bis zu 100 Minuten täglich ist jeder Deutsche im Internet unterwegs, ermittelte der Hightech-Branchenverband Bitkom – die unter 30 jährigen sogar 200 Minuten. Gesurft wird auch in Sachen Schönheit. Vier von zehn Internetnutzern (39,9 %, 17,35 Millionen) haben schon einmal Informationen über Parfum- und Kosmetikprodukte online recherchiert, so der AGOF Branchenbericht „Parfum & Kosmetik IV-2009“ der Arbeitsgemeinschaft Online Forschung. Eine eigene Homepage gilt inzwischen als Pfl icht, und auch die Präsenz in Social Media-Communities wie Facebook wird für Firmen zunehmend zur Imagefrage. Mit der neuen Generation von Internet- Nutzern hat sich eine eigene Kultur entwickelt. Social Media Communities, Beauty Foren und Blogs sorgen für eine interaktive Beautyszene im Web.

Vor dem Einkauf im stationären Handel geht man online: 55 Prozent suchen Informationen über Produkte und Preise, ermittelte die Bitkom. Bewertungen anderer Kunden beeinflussen dabei jede dritte Kaufentscheidung. Immerhin jeder zweite (48 %) deutsche Internetnutzer liest vor einem Kauf Produktbewertungen. Im Internet werden auch weitere Informationen abgefragt, z.B. zu Inhaltsstoff en. Die Auswirkungen haben Sie in der Parfümerie sicher schon bemerkt: Die Internet-User unter den Kunden sind kritischer, bewusster und besser informiert als andere. Dabei schauen die Kunden durchaus über den eigenen Tellerrand. Auf den Internetseiten im Ursprungsland der Marke (meist die dot-com Seiten) werden Produkte kommuniziert, die dann mit mehrmonatiger Verzögerung in deutschen Geschäften lanciert werden. Die Kundin hat sie bereits gesehen: Sie weiß über die kommenden Neuerscheinungen Bescheid. Die Grenzen werden fließender, der Kunde ist weltweit vernetzt und damit besser und oft vorab informiert.

Zur Verbreitung von Informationen tragen ebenso die zahlreichen Beautyforen bei: Hier tauschen sich Gleichgesinnte aus. In den Foren können Fragen gestellt („mein Puder dunkelt auf der Haut nach – was tun?“), oder Erfahrungen mit Produkten, Marken – oder auch Parfümerien – geschildert werden. Diese unabhängigen und damit glaubwürdigen Meinungen sind es, die den Nutzen und damit den Erfolg der Foren ausmachen.

„Der Service von Parfümerien sowie die Qualität und Anwendung von Kosmetika sind in Social Media heiß diskutierte Themen mit direktem Markenbezug. Dabei kommen nicht nur die 14 bis 21-jährigen zu Wort, auch die Ansprüche Älterer werden intensiv artikuliert. Kaufentscheidungen werden in diesen Foren und Communities gefällt“, so Andreas Quest, Managing Director von X-RAY Personal Media Digest GmbH. „Daher ist es in jedem Fall wichtig, diese Stimmen ernst zu nehmen. Denn hier finden sich sowohl Anregungen für die Serviceoptimierung als auch hilfreiche Beurteilungen von Stärken und Schwächen der Produkte.“ In diesen Communities entwickeln sich mit der Zeit die „Infl uencer“, also Leitfiguren, deren Meinung zählt. Wenn sie ein Produkt abwertend beschreiben, heißt es oft von anderen „dann nehme ich auch lieber Abstand davon.“ Umgekehrt können die anerkannten Personalities ein Produkt auch pushen und einen sog. „Hype“ auslösen – „das will ich auch!“ Die Foren-Communities sind eine kleine Welt für sich: Neben dem Austausch finden sich hier z. B. auch Lexika oder Tauschbörsen. Zusätzlich zu den allgemeinen gibt es spezialisierte Foren, die sich auf einzelne Marken oder auf Swatches konzentrieren.

Wie in einer Art Online-Tagebuch widmen sich die Verfasserinnen eines Blogs den unterschiedlichsten Themen in Wort und Bild. Auch hier gibt es Spezialisierungen: Blogs nur für Nagellacke, für Make-up, Parfums usw. Einige Blogs konzentrieren sich darauf, also zusätzliche optische Informationen zu einem Produkt. Damit ein Leser auch immer auf dem neuesten Stand ist, kann er den Blog (wie auch andere Netzangebote) per RSS-Feed abonnieren. Dieses Internet-Nachrichtenformat garantiert, dass Abonnenten über Aktualisierungen der Nachrichtenquelle (z. B. Blogs) informiert werden.

Jeder Blogeintrag erreicht auf direktem, schnellem Wege die Kundinnen. Und auch die Firmen entdecken zunehmend das Bloggen als Kommunikationsplattform für sich, betreiben Direktmarketing auf neuer, kundennaher Ebene. Umgekehrt hat die Meinung der Bloggerinnen ebenso Gewicht. Für die US-Nagellackmarke „Rescue Beauty Lounge“ Anlass, im Sommer 2009 eine Limited Edition mit von Bloggerinnen designten Nagellackfarben zu lancieren, die aktuell neu aufgelegt wird. Gastauftritte der Bloggerinnen auf der Website des Unternehmens inklusive. Regen Zulauf erfreuen sich die Tutorials im Internet: Kleine Videofi lme, die zeigen, wie es geht. Allein beim Anbieter YouTube fi nden sich über 440 000 Make-up Tutorials. Ob das Schminken von Smokey Eyes oder das perfekte Auftragen von Lippenstift: In den Schritt für Schritt- Anleitungen erlebt der User, wie sich ein Produkt bei der Anwendung auf der Haut verhält, wie ein bestimmter Look geschminkt oder eine Technik angewendet wird.

Heute schon getwittert? 270.000 Accounts haben im Mai 2010 in deutscher Sprache aktiv getwittert, so die Zahlen von www.webevangelisten.de. „Twitter eignet sich für das Publizieren, Austausch und Dialog; für die Verbreitung von News, Tipps und mehr, für den Direktdialog mit Influencern, B2B und Endkonsumenten sowie für die Marktforschung. Sich auf Twitter kommunikativ zu zeigen und off en für Anregungen zu sein, hat immer noch einen First Mover Eff ekt“, erklärt Christiane Krämer, Public Relations und Social Media Beraterin bei basta!social in Gummersbach. Zu den Einsatzgebieten von Twitter gehören z. B. Presse- und Öff entlichkeitsarbeit, Marketing sowie auch das Online Reputationsmanagement (Positionierung als Vorreiter und off enes, medienaffi nes Unternehmen). Der Bereich Social Media ist wichtig. Doch gerade in Deutschland ist noch zu viel Zurückhaltung oft in Verbindung mit Unwissenheit und auch Angst vor Kritik. „Kritik hilft den Unternehmen jedoch, ihr Angebot zu verbessern und damit auch künftig Erfolg zu haben“, so Christiane Krämer. „Zunächst einmal ist für das Unternehmen wichtig zu prüfen, ob es für den offenen Dialog und Feedback von Interessierten empfänglich ist und sein möchte! Die Entscheidung über die Strategie und damit einhergehend zu defi nierenden Ziele sollten vor der Aktion stehen. Eine allgemein gültige Lösung gibt es nicht – nur individuelle!“

Bequem von zuhause aus einkaufen, und das rund um die Uhr: Für die alwayson- Generation ist das Internet nicht nur Informations- und Kommunikationsbasis, sondern auch Bezugskanal. Im vergangenen Jahr bestellten die Deutschen online Drogerieartikel, Kosmetik und Parfum im Wert von 420 Mio. Euro, ermittelte der Bundesverband des Deutschen Versandhandels (bvh). Knapp ein Fünftel (18,3 %, 7,96 Millionen) hat in den vergangenen 12 Monaten Parfum und Kosmetik im Internet gekauft, so ein Ergebnis des AGOF Branchenberichts „Parfum & Kosmetik“. Geringe oder keine Versandgebühren, schnelle Lieferung und z. B. ein Käuferschutz, wenn der Einkauf mit Paypal getätigt wird, machen das Shopping per Mausklick attraktiv.

Auch die Bielefelder Parfümeriekooperation beauty alliance ist längst mit einem Internet-Shop vertreten: „Unser Online-Shopping Portal parfuemerie.de ist ein weiterer Service, den die inhabergeführten Parfümerien ihren Kunden bieten können“, erklärt Geschäftsführer Christian Lorenz. „So können unsere Gesellschafter den veränderten Kaufgewohnheiten ihrer Kunden Rechnung tragen und den Shop als Instrument zur Kundenbindung nutzen. Zudem lenkt der Shop die Kundin mit wenigen Klicks zu einer stationären beauty alliance Parfümerie in ihrer Nähe.“ Online-Shopping ist bequem: „Für Nachkaufprodukte brauche ich kein Einkaufserlebnis in der Parfümerie, da bestelle ich bequem von zuhause aus, denn da habe ich genügend Zeit“, erklärt eine Online-Shopperin.

Eine andere regelmäßige Online-Käuferin rühmt das Angebot: „In Internetshops finde ich Dinge, die ich hier in den Geschäften nicht bekomme!“ Beauty-Stores mit Nischenmarken liegen im Trend.