Die Lok ist ein wahres Kraftpaket. Ohne zu murren verlässt der 64-Tonnen-Koloss den kleinen Bahnhof in Flåm und stapft gemächlich hinauf in die Berge – Waggons voller Reisender im Schlepptau. Schon bald verschwindet das beschauliche Dörflein da unten am Zipfel des Aurlandsfjords in der Ferne. Nur links und rechts ist noch die Schnellstraße zu sehen, die in Tunneln in den Bergen verschwindet. Und dann? Geht es nur noch durch die Natur. Die Fahrt mit der Flåmbahn ist ein Erlebnis für jeden Norwegenreisenden. Vom Fjord rattert sie mit Höchsttempo 40 über Kurven und durch Tunnel die Berge nach oben. Insgesamt fast 800 Höhenmeter. Ein Wunder der Technik inmitten eines Wunders der Natur – und die Kombination aus beidem beschert dem kleinen norwegischen Dörfchen Flåm alljährlich Besucher in Scharen. Fast 500 000 Menschen lösen Jahr für Jahr ein Bahnticket. Mancher fährt nach oben und gleich wieder runter, denn am Zielbahnhof in Myrdal gibt es praktisch wenig zu tun. Es sei denn, man hat die Wanderschuhe gepackt und will durch die Berge touren. Oder löst ein weiteres Zugticket für die Eisenbahn, die Oslo und Bergen verbindet. Denn genau in Myrdal oben auf den Bergen treffen die beiden Züge aufeinander.

Postkarten-Motive im Vorbeifahren
Entfernungen haben in Norwegen eine ganz andere Bedeutung. Wer von Bergen in die Hauptstadt Oslo will, kann im Zug die Zeit genießen. Die Bergenbahn gilt als eine der schönsten Strecken der Welt. Und das ist tatsächlich nicht nur ein Attribut von Tourismusvermarktern. Denn auf der siebenstündigen Strecke präsentiert sich das Land quasi im Vorbeifahren von all seinen schönsten Seiten: blaue Fjorde, grüne Ebenen, karge Berglandschaften. 182 Tunnel passiert der Zug. 34 Jahre wurde an der Strecke gearbeitet. Doch was sind schon schnöde Zahlen gegen den Blick durch die Scheiben, wo sich immer wieder Postkarten-Panoramen präsentieren. Norwegen ist das Land der Fjorde, Inseln, Wasserfälle, Buchten und Berge – aber auch der Hochebenen. So wie die Hardangervidda, Europas größte ihrer Art. 9000 m² oft recht karge Fläche in bis zu 1600 Metern Höhe. Ein Traum für Wanderer und Naturfreunde, denn es gibt nicht nur schier endlose Routen für die Freizeitläufer, sondern auch seltene Pflanzen- und Tierarten zu entdecken. Doch die Hardangervidda hat es auch in sich, und das das ganze Jahr über. Neben der Bahnlinie führt nämlich auch die schnellste Straßenverbindung von Bergen in die Hauptstadt dort oben entlang.

Wer kurz hinter Ulvik auf der Reichsstraße Nummer 7 den Hardangerfjord quert, kann dank der neuen Riesenbrücke nicht nur die Fähre sparen. Doch er ahnt auch noch nicht, was ihn da oben in den Bergen erwartet. Ist unten im Tal noch alles grün, so warnen doch schon Schilder und Ampeln bei bedrohlichem Wetter vor den Höhen. Wenn gar nichts mehr geht, wird die Strecke mit Schranken einfach dichtgemacht. Sinnvoll also, sich vor seiner Tour über das Internet oder beim Personal an der Hotelrezeption zu informieren. Ab November sind Schneeketten an Bord in Norwegen Pflicht, worauf Mietwagenfirmen selbstverständlich achten. Wenn ein Schneesturm über die Hardangervidda weht, ist Schluss. Alternativ muss eine andere Route gewählt werden. Oder, im Glücksfall, öffnen sich die Schranken dann doch noch in Abständen, um gleich eine ganze Kolonne an wartenden Autos mit sicherer Begleitung hinüberzubringen. Von der weiten, schier unendlichen Fläche ist im Winter bei Schnee kaum etwas zu sehen, geschweige denn von der Straße – sofern nicht der Schneepflug die Fahrbahn räumt. Selbst in Sommermonaten sind Autofahrer schon von Flockenwirbeln überrascht worden und mussten in ihren Wagen auf Hilfe warten. Wer Ruhe und Abgeschiedenheit sucht, wird in Norwegen ganz sicher fündig. Dreiviertel der fünf Millionen Norweger leben in den (wenigen) großen Städten. Der Rest verteilt sich auf das Land, wobei die Küsten im Süden stärker besiedelt sind als die nördlichen Regionen. Ein Umstand, der – verbunden mit der schwierigen Zugänglichkeit einiger Landesteil – über die vergangenen Jahrhunderte hinweg nicht immer einfach zu meistern war. Gerade im Winter waren manche Regionen förmlich von der Außenwelt abgeschnitten. Selbst Mitte des 20. Jahrhunderts gab es noch Dörfer, die man nicht mit dem Auto, sondern lediglich per Boot erreichte. Schnelle Autostraßen sucht man auch heute noch landesweit (meist) vergeblich. Und wo es sie gibt, ist das Tempolimit genauestens einzuhalten. Anderfalls drohen hohe Strafen. Die kürzeste Tour von Oslo im Süden bis zum Nordkap, dem nördlichsten Punkt des Landes, führt über schwedisches Territorium und dauert locker 30 Stunden – sofern kein Stopp eingelegt wird. Aber es gibt neben den schnellen Regionalfluglinien auch Alternativen. Wie bequem ist doch eine Reise mit dem Schiff.

Schiffstour entlang der Westküste
Die Postschifflinie Hurtigrouten war einst oft einzige Möglichkeit, abgelegene Regionen zu versorgen. Auch heute noch sind die Schiffe entlang der 2700 Kilometer langen Westküste unterwegs: von Bergen im Süden bis Kirkenes im Norden in sechseinhalb Tagen. Waren und Post werden immer noch transportiert. Doch heute sind vor allem Urlauber an Bord. Gemächlich geht es vorbei an Inseln, kleinen Städten und Dörfern. Wie auf einer Kreuzfahrt machen die Schiffe Station an den Sehenswürdigkeiten. Wenn sich ein riesiger Kreuzer im Geirangerfjord an die Hafenkante schiebt, klicken stets die Fotoapparate. Doch so groß der Meeresgigant auch ist, so wirkt er zwischen den hohen Bergen doch fast winzig klein.

Ein Mekka für Wintersportfans: Die Sprungschanze auf dem Berg Holmenkollmen bei Oslo ist die älteste der Welt. 1892 gab es hier den ersten Wettkampf. 1952 fanden die Olympischen Winterspiele statt. So modern wie sich die Anlage heute präsentiert, ist sie noch gar nicht lange: Immer wieder gab es über die Jahrzehnte hinweg Umbauten, zuletzt 2008: Damals wurde die alte Anlage komplett abgetragen und durch einen Neubau ersetzt. Auf der spektakulären freitragenden Konstruktion fand 2011 die Nordische Skiweltmeisterschaft statt